Ich gebe zu, ich hab die überdimensionale Ästhetik der Pirelli-Kalender in den vergangenen Jahren bewundert. Da räkelten sich Kurven – oh ja, der Bezug war für den Reifenhersteller wichtig – vor der Linse. Jetzt haben sich die Kurven verändert. Sie sind immer noch da. Doch sie gehören zu völlig anderen Frauen. Pirelli hat das Projekt für 2016 in die Hände der Fotografin Annie Leibovitz gelegt. Und diese bat Frauen vor die Linse, die im Leben große Leistungen vollbracht haben: die US-Comedian Amy Schumer, die iranische Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat, die Punklegende Patty Smith, Tennisspielerin Serena Williams und auch Modebloggerin Tavi Gevinson. Da große Taten nicht immer mit 20 Jahren schon vollbracht sind, hat sich das Durchschnittsalter der Protagonistinnen nach oben verschoben. Sie sehen super scharf aus. Vielleicht weniger nach Pin-up, aber sehr stark.
Nun werden sicher einige sagen, dass Annie Leibovitz nicht die erste ist, die auf die Idee kam, Brühmtheiten ungeachtet ihres Alters und ihrer Figur als Calender-Girls zu engagieren. Seit einigen Jahren gilt dieser Trend gegen den Trend als schick. Um nicht in Klischees zu verfallen, musste sich Annie Leibovitz etwas einfallen lassen. Und dies ist ihr gelungen: Der Pirelli-Kalender zeigte bisher nackte oder fast nackte Frauen. Annie Leibovitz hat zunächst diese Tradition gebrochen, denn der Textilanteil hat deutlich zugenommen. Und der Stil ihrer Darstellung unterscheidet sich. Bisher räkelten sich die Frauen meist an ungewöhnlichen Orten. Doch im Liegen mit überstrecktem Hals und Hohlkreuz schindet frau weniger Eindruck mit ihrer Persönlichkeit. Annie Leibovitz lässt ihre Protagonistinnen in schlichter Umgebung meist stehen oder sehr aufrecht sitzen. Fast alle richten ihr Gesicht dem Betrachter entgegen. Sie sind kein bisschen bloß gestellt. Fast meint man, der Betrachter müsste die Frauen höflich fragen, ob er einen Blick auf sie werfen darf. Denn ihnen ist offensichtlich der bisher männliche Betrachter völlig egal. Sie haben es nicht nötig. Liebe Männer, ihr seid uns Frauen nicht egal. Wir lieben Euch immer noch, doch wir lieben auch uns selbst.
US-Comedian Amy Shumer mit Kaffeetasse ist am wenigsten bekleidet
Dagegen zeigt sich US-Punkmusikerin Patty Smith in Weste und Stiefeln.
Yoko Ono ist mit ihrer direkten und sehr strengen Art bereits oft angeeckt.
Unbequem ist sicherlich auch Filmemacherin Shirin Neshat, die sich unter anderem auch mit Frauenthemen auseinandersetzt.
Alle Fotos: © Pirelli Kalender 2016 by Annie Leibovitz.